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† Metropolit Arsenios von Austria
Vorsitzender der Orthodoxen Bischofskonferenz in
Österreich
Die Hochzeit von Kana (von hier)
Die
höchste und vollständige Form des
„Mit-einander-Seins“ ist nach dem Glauben der Kirche nur in der
liebenden, von Gott gesegneten Verbindung zwischen Mann und Frau zu
sehen. Das betont Metropolit Arsenios in einem aktuellen
Beitrag. Wörtlich schreibt der Metropolit: “Das ist, was Ehe in
ihrem Kern bedeutet: Die von Gott gesegnete freiwillige Verbindung von
Mann und Frau, mit dem Ziel, sich gegenseitig zu erfüllen
und den gemeinsamen Weg zum Reich Gottes zu gehen.” Das
unerschütterliche Festhalten der Orthodoxen Kirche an der Ehe zwischen
Mann und Frau bedeute zugleich aber keine Missachtung oder
Verurteilung derjenigen, die sich entschieden haben, eine andere Art
von Leben zu führen. Metropolit Arsenios: “Die Kirche hält sich nicht
von dem Menschen, der eine andere Gesinnung und
Lebensweise als sie vertritt, fern, sie weist ihn nicht ab, sondern
versucht, ihm in heilsamer, gerechter Weise die richtige Motivation zu
einer Lebensänderung zu geben.”
Der Beitrag von Metropolit Arsenios im
Wortlaut:
Die
orthodoxe Position über Liebe und Ehe schließt
mit Entschiedenheit und unzweifelhaftem Willen an die Idee der
Menschenrechte an, wie sie von der Generalversammlung der Vereinten
Nationen 1948 proklamiert wurden und welche sich allmählich zur
Grundlage eines sogenannten „Weltethos“[1]
entwickelt
haben. Die Menschenrechte, wie sie heute als Rechte von allgemeiner
Gültigkeit verstanden werden, haben als Grundlage die Menschenwürde,
eine Idee, welche sowohl in der biblischen als auch in der
patristischen Tradition tief verwurzelt ist.
Die Menschenwürde hängt mit nichts Anderem
unmittelbarer als mit der Tatsache zusammen, dass allein der Mensch nach dem Bild und Gleichnis Gottes erschaffen ist.[2]
Ich
möchte hier den von dem berühmten Theologen
Claus Westermann angeführten Kommentar zu der betreffenden
Bibelstelle wörtlich zitieren: „Damit ist dem Menschen eine Würde
verliehen, die in seinem Geschaffensein von Gott begründet ist. Dabei
ist wohl zu beachten, dass die Gottebenbildlichkeit nicht etwa dem
Menschengeschöpf noch dazu verliehen wird; sie ist explikativ gemeint:
damit, dass der Mensch von Gott geschaffen ist, ist er zu
Gottes Ebenbild geschaffen. Diese dem Menschen mit seinem
Geschaffensein verliehene Würde ist vollkommen unabhängig von allen
möglichen Unterschieden zwischen Menschengruppen, von völkischen,
religiösen, rassischen und sozialen Unterschieden. Sie eignet dem
Menschen jenseits aller dieser Differenzierungen.“[3]
Die
Stelle aus Gen 1,26 mit der Schlussformel
„lasset uns Menschen machen“ hebt die Erschaffung des Menschen aus
dem übrigen Schöpfungswerk heraus und weist auf die Besonderheit der
menschlichen Existenz hin. Der Mensch wird dabei nicht das
kontingente Produkt einer unpersönlichen Schicksalsmacht, sondern
das Ergebnis einer lebendigen Person, einer Intention, eines freien
Entschlusses. All das macht als Konsequenz nicht nur den
personalen Gott aus, sondern auch den Menschen, worin er sich vom
Rest der Schöpfung unterscheidet.
Wenn
man das besondere Verhältnis Gottes zum
Menschen als ein Gemeinschafts-verhältnis auslegt, dann wird noch
deutlicher, dass alles, was ein solches Verhältnis stören würde, a priori
verwerflich und unheilig ist. Jeder Mensch hat
als persönliches Werk Gottes das Recht auf ein persönliches
Verhältnis zu seinem Schöpfer, was natürlich noch offensichtlicher
macht, dass jede Art von Diskriminierung eines Mitmenschen vor allem
das Verhältnis Gottes zu diesem Mitmenschen berührt. Fazit: Alle
Menschen sind gleich, weil alle von dem einen Schöpfer und unter
denselben Bedingungen, d. h. aus dem Nicht-Seienden (creatio
ex nihilo), geschaffen sind.
Die alttestamentliche Konzeption über die Würde
aller Menschen und deren Gleichheit vor Gott setzt sich im
Neuen Testament weiter fort: „Denn es ist hier kein Unterschied: Sie
sind alle Sünder und haben die Herrlichkeit (δόξα) verloren,
die Gott ihnen zugedacht hat, und werden ohne Verdienst gerecht aus
seiner Gnade durch die Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen ist[4] (…) Ihr alle, die ihr auf Christus getauft worden seid, habt Christus angezogen. Hier ist nicht Jude oder Grieche, hier
ist nicht Sklave oder Freier, hier ist nicht Mann oder Frau. Denn ihr seid alle Einer in Christus Jesus.“[5]
Diese
Vorstellung von einer besonderen Würde, die
allen Menschen zukommt und die alle Menschen unabhängig von
ethnischer Herkunft oder sozialer und rechtlicher Stellung teilen,
gehört auch zu den Grundlagen der Ethik der Väter der Kirche. In der
Auslegung von Mt 25, 31-46 (insbesondere 25, 40) verwahrt sich der
heilige Johannes Chrysostomos gegen eine Begrenzung christlicher Hilfe
auf die christlichen Brüder unter Hinweis auf die
grundsätzliche Gleichheit aller Menschen und die gemeinsame Teilhabe
an der menschlichen Natur. Deutlich wird diese gemeinsame Natur zum
Bezugspunkt für die Gleichheit aller Menschen auf
universaler Ebene: „Denn die Gnade ist auf alle ausgegossen und
verschmäht nicht Juden, Griechen, Barbaren, Skythen, nicht den Freien,
den Sklaven, Männer, Frauen, den Alten und den Jungen. Alle
werden auf gleiche Weise zugelassen und eingeladen nach Maßgabe
gleicher Würde.“[6]
Der bewusste Respekt für die Würde
(dignitas) jeder menschlichen Person zeigt sich nach Johannes
Chrysostomos vor allem in der Liebe für den Nächsten (πλησίον), und
selbst für den Feind, nicht nur durch Worte, sondern durch
Taten. Dieser Ausdruck von Liebe sei Anfang und Ende der Tugend.[7]
Die
Liebe zum Mitmenschen stellt auch in neuerer Zeit bei dem berühmten
Schweizer Pädagogen J. Pestalozzi den Kernpunkt des pädagogischen
Systems dar: „Liebe, und eine mit Liebe im Kinde entquellende
Geistestätigkeit sind also offenbar der gemeinschaftliche positive
und unveränderliche Anfangspunkt, von welchem die Entwicklung aller
Anlagen zu unserer Veredlung ausgeht und ausgehen
muss.“[8]
Wenn
die Liebe zum Mitmenschen die Quintessenz der
christlichen Ethik ist, dann ist jeder Christ, und vor allem die
Kirche verpflichtet, jede Entscheidung dieses Mitmenschen in Hinsicht
auf die Gestaltung seines Lebens oder seiner sexuellen
Vorlieben völlig zu respektieren, weil die Kirche einfach das von
Anfang an dem Menschen von Gott angelegte Geschenk respektiert, nämlich
sich frei für die eine oder die andere Alternative zu
entscheiden. Gott machte den Menschen bei der Schöpfung zum Herrn
über das Gute oder das vom Guten Abweichende und unterstellte alles der
eigenen Meinung, der freien Entscheidung und dem eigenen
Willen des Menschen.
Die
Kirche nimmt nach der orthodoxen Auffassung
also aus tiefster Überzeugung jeden Menschen, unabhängig von seiner
Stellung innerhalb der Gesellschaft oder seiner sexuellen Präferenz und
Orientierung in ihrem Schoß auf. Sie tut es nicht aus
Zwang, sondern aus freiem Willen und echter Liebe zum Mitmenschen,
weil sie glaubt, dass jeder Mensch, also auch derjenige, der sich für
eine andere Form der Sexualität als die von Natur aus dem
Menschen zugedachte entschieden hat, den vollen Respekt und Achtung
als Gottes persönliches Geschöpf genießen muss. Die Kirche freut sich
sogar und muss sich über diejenigen Menschen freuen, die
sich trotz ihrer sexuellen Vorlieben, welche nicht dem traditionell
von der Kirche vertretenen Vorbild entsprechen, in vielen Bereichen des
Lebens, wie z. B. in der Kunst, der Wissenschaft oder
der Politik auszeichnen und durch ihre Lebensweise das Gute zu tun
versuchen.
Traditionelle griechische Hochzeit (von hier)
Die
Orthodoxe Kirche präsentiert ein
christliches Lebensmodell, das auf dem Evangelium und seiner Lehre
gründet. Diese Lebensweise ist eine Idealvorstellung, der man freiwillig
nachfolgen kann oder eben auch nicht. Eine von dieser
Idealvorstellung abweichende Lebensweise wird von der Kirche
respektiert, aber stimmt nicht mit ihrer Lehre überein. Diese
abweichenden Lebensweisen können nicht als mit der orthodoxen
Vorstellung von der Heiligkeit der Eheschließung zwischen Mann und
Frau gleichrangig betrachtet werden.
Die
christliche Vorstellung für die höchste und
vollständige Form des „Mit-einander-Seins“, des „Einander-leiblich
und seelischen-Begegnens“ ist nach dem Glauben der Kirche nur in der
liebenden, von Gott gesegneten Verbindung zwischen Mann und
Frau zu sehen. Das ist, was Ehe in ihrem Kern bedeutet: Die von Gott
gesegnete freiwillige Verbindung von Mann und Frau, mit dem Ziel, sich
gegenseitig zu erfüllen und mit der Potenzialität,
Kinder zu zeugen, d. h. neue Menschen mit dem Segen und der Hilfe
Gottes ins Sein zu bringen und später der Gesellschaft zu übergeben.
In
der christlichen Vorstellung von Ehe und Familie
hängen beide Begriffe unmittelbar mit der Verbindung zwischen Mann
und Frau zusammen. Warum? Weil das die Lehre der Bibel, des Evangeliums
Jesu Christi, die Lehre der heiligen Väter ist: „Am
Anfang der Schöpfung aber hat Gott sie als Mann und Frau geschaffen.
Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen, und die zwei werden ein
Fleisch sein. Sie sind also nicht mehr zwei, sondern
eins. Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht
trennen“.[9]
Das ist die Quintessenz des Einander-Erfüllens /
Voneinander-Erfüllt-Seins. Jede Abschweifung von der von Gott gegebenen
und bestimmten Art von Beziehung
zwischen Mann und Frau wird deutlich in der Bibel abgelehnt.
Johannes Chrysostomos unterstreicht die Wichtigkeit der Vereinigung
zwischen Mann und Frau als „echte Lust“, die den Bedingungen der
Natur entspricht.[10]
Die
Ehe hat dem christlichen Verständnis nach einen
sehr wichtigen sakramentalen Charakter: „Wer seine Frau liebt, liebt
sich selbst. Denn niemand hat jemals sein eigenes Fleisch gehasst,
sondern er nährt und pflegt es, wie auch der Christus die
Gemeinde. Denn wir sind Glieder seines Leibes. Deswegen wird ein
Mensch Vater und Mutter verlassen und seiner Frau anhängen, und die zwei
werden ein Fleisch sein. Dieses Geheimnis ist groß, ich
aber deute es auf Christus und die Gemeinde.“[11]
An
dieser Stelle findet die Heiligkeit der
Institution der Ehe und des familiären Lebens als Grundstein, auf
dem sich die heilige Beziehung der Ehepartner stützt, ihre Begründung.
In dem Ehebund erhält jedes Glied, der Mann und die Frau,
seine existentielle Fülle unter der unabdingbaren Voraussetzung,
dass sie die Ehe- und Hausgemeinschaft auf die Liebe und Hingabe (ἀγάπη)
gründen. Nicht nur das Begehren (ἔρως) schafft die
Ehegemeinschaft, sondern die Liebe, das Sich-für-den-Anderen-Opfern
(θυσία), für den Anderen zu jeder Zeit – sei es eine günstige oder eine
schwierige – da zu sein. Die Familie ist wiederum das
organische Zentrum zur Verwirklichung der Liebe (ἀγάπη), die alle
Gemeinschaft trägt.
Quelle
und Maß aller menschlichen Liebe (ἀγάπη) ist
im Neuen Testament die Gottesliebe. Der Epheserbrief führt diesen
Gedanken weiter aus: das Vorbild aller ehelichen Liebe ist dem Christen
die Liebe Christi zu seiner Gemeinde. Wie sich Christus
als Haupt der Kirche für sie opfert und durch sein Opfer deren Heil
erfolgt, genau so führt der Mann seine Frau als deren Haupt auf
geheimnisvolle Weise zum Heil, da sie etwas aus seinem Dasein
ist. In der christlichen Ehe zwischen Mann und Frau spiegelt sich
die geheimnisvolle Bindung zwischen Christus und seine Kirche wider. Der
Mann ist das Abbild des Bräutigams Christus und sieht in
der Person seiner Frau die Kirche als Braut. Diese Vorstellung von
Christus als dem Ehe-Herrn liegt der Haustafel des Epheserbriefs
zugrunde. In Eph. 5, 31 ist der Gedanke typologisch zu Ende
gedacht, das Genesiswort vom Drange des Mannes zur Frau und der
Vereinigung (Henosis) der Ehegatten wird als ein „großes Geheimnis“
erklärt und auf Christus und die Kirche bezogen. Diese
typologische Deutung des Verhältnisses zwischen Mann und Frau und
dessen Zurückführen auf das Verhältnis zwischen Christus und der Kirche
ist bei berühmten hochgelehrten Kirchenvätern, wie z. B.
bei dem heiligem Gregor von Nyssa, vorzufinden.
In
dem berühmtesten seiner hermeneutischen Werke,
der Auslegung des Hoheliedes der Liebe, wird der erotische Drang der
menschlichen Seele zu Christus dem erotischen Drang einer Braut zum
ihrem Bräutigam gegenübergestellt. Der erotische Drang des
zu Gott emporstrebenden Menschen wird immer mit zwei Objekten
unterschiedlichen Geschlechts in Zusammenhang gebracht. Wie jeder
Bräutigam zieht Christus seine Braut (die menschliche Seele) zu
einem endlosen Liebesverhältnis heran, und die Braut erwidert
die Gefühle ihres Bräutigams, indem sie sich auf ein endloses Streben
nach ihm einlässt. Die zum eigentlichen Guten und
Schönen schauende Seele findet in ihm immer wieder etwas Neueres und
noch Wunderbares: „Es kommt niemals zu einem Stillstand im Verlangen
nach dem Schauen, weil das in Aussicht Stehende bestimmt
großartiger und göttlicher als das bereits Gesehene ist.“ Deshalb
hört die Braut in ihrer Bewunderung und in Ihrem Erstaunen nicht auf,
weiter nach ihm zu streben, und dies hat kein Ende.[12]
In
der Auslegung des Hoheliedes der Liebe durch
berühmte Väter der Kirche (Origenes, Gregor von Nyssa) wird das
mystischen Verhältnis zwischen Christus und seiner Kirche mit der
liebenden-leidenschaftsvollen Zuneigung eines Bräutigams zu
seiner Braut verglichen, was deutlich darauf hinweist, dass in der
patristischen Tradition bei der echten Art von Liebe und des erotischen
Verbindens immer an die Verbindung zwischen einem Mann
und einer Frau gedacht wurde. Dieses erotische Verbinden, dieses
Liebend-Einander-Begegnen, findet seine mystische Zuspitzung im
sakramentalen Leben der Kirche, im Sakrament der Ehe, weil die Ehe
ein Geheimnis der Liebe ist. Nur in einer auf der Tugend gestützten
Ehe kann man echte Liebe, Ruhe und sein Glück finden. Die Ehe hat nach
Johannes Chrysostomos die Funktion eines „Hafens der
Besonnenheit“, das beide Ehepaare vor jedem Sturm (Ungestüm der
Natur) schützt.[13]
Der Sturm entsteht, wenn es zu Übertreibungen kommt: Das ist zum
Beispiel der Fall bei einem Übermaß an Enthaltsamkeit. In seinem
Kommentar von 1 Kor. 7, 5
äußert sich der Heilige Vater zu diesem Thema: „Christus hat
angeordnet durch den Mund des Paulus, dass sich beide Ehegatten nicht
einander entziehen dürfen; manche Frauen aber haben sich mit dem
angeblichen Wunsch der Enthaltsamkeit, als ob sie etwas Frommes
machten, von ihren Männern entfernt und haben sich selbst zum Ehebruch
und ins Verderben geführt.“[14]
„Jeder
darf sich dem Anderen außer im gegenseitigen
Einverständnis nicht entziehen. Was soll das heißen? Weder die Frau,
sagt Paulus, darf sich ihrem Mann entziehen, wenn es seinem Willen
nicht entspricht, noch darf der Mann sich seiner Frau
entziehen, wenn seine Frau es nicht will. Aus welchem Grund? Weil
sich aus dieser Enthaltsamkeit viel Böses ergibt; weil sich daraus viele Ehebrüche, viel Unzucht und Familienzerstörungen
ergeben haben.“[15]
Also
alles mit Maß. Sich innerhalb der Ehe
einander zu entziehen, widerspricht der Natur der Ehe, die
eigentlich das Seelisch- und Leiblich-Einander-Begegnen zwischen Mann
und Frau bedeutet. Ein solches sexuelles Verhalten entspricht der
Natur der Ehe, und alle Menschen neigen von Natur aus dazu , weil
jeder Mensch aus dem liebenden Verkehr zweier Menschen ins Sein gekommen
ist! Gregor von Nyssa äußert sich deutlich dazu: „Ich
weiß wohl, dass auch die Ehe der Segnung Gottes nicht ermangelt.
Denn ein ausreichender Fürsprecher für die Ehe ist die allgemeine Natur
der Menschen, welche all denen, die durch die Ehe ins
Leben kommen, diese Neigung dazu automatisch eingeflößt hat.“[16]
Im
patristischen Bewusstsein wird also auch
anhand des biblischen Zeugnisses die Beziehung zwischen Mann und
Frau als natürliches Verhalten betrachtet. Jede andere Art von Beziehung
steht im Widerspruch mit dem natürlichen Ablauf der
Natur.
Dieses
unerschütterliche Festhalten der
Orthodoxen Kirche an der Ehe zwischen Mann und Frau bedeutet
zugleich keine Missachtung oder Verurteilung derjenigen Brüder in
Christus, welche entschieden haben, eine andere Art von Leben zu
führen. Die Orthodoxe Kirche weist gegenüber diesen Personen nicht
nur eine Haltung von Toleranz auf. Toleranz ist mehr als eine Idee. Sie
ist nicht mit der Ethik des Mit-Leidens, das in der
patristischen Tradition von ausschlaggebender Bedeutung zur
Überwindung einer Schwäche ist, zu verwechseln. Toleranz bedeutet für
die Orthodoxe Kirche Akzeptanz oder genauer gesagt Respekt der
freien Entscheidung des Anderen. Die Kirche steigt herab zu den
Schwächen jedes einzelnen Menschen, empfindet Mitleid für ihn, betet für
ihn, arbeitet mit ihm zusammen, sodass er seine Schwächen
überwinden kann. Die Kirche hält sich nicht von dem Menschen, der
eine andere Gesinnung und Lebensweise als sie vertritt, fern, sie weist
ihn nicht ab, sondern versucht, ihm in heilsamer,
gerechter Weise die richtige Motivation zu einer Lebensänderung zu
geben. Im Fall eines Scheiterns ihres Versuches, wenn sich der
Andersdenkende für einen anderen Kurs in seinem Leben
entscheidet, überlässt die Kirche das Werk dem Heil Gottes.
Der
Weg zu Gott besteht im ständigen Kampf gegen
unsere Schwächen, im ständigen Bemühen, sich selbst zu übertreffen.
Im weiteren Streben nach der Überwindung unserer Schwächen, der kleinen
und großen, liegt eigentlich der wahre Genuss, nicht in
der Erreichung des Zieles selbst: „darin besteht in Wahrheit das
Gottschauen, dass derjenige, der zu Gott aufschaut, nie von seinem
Verlangen lässt“.[17]
Es
ist leicht nachzuvollziehen, dass die
Überlieferung der Kirche in ihrer tiefschürfenden Weisheit – durch
das Sakrament der Ehe und der heilige Institution der Familie als
„Hauskirche“ – seit jeher eine existentielle Wahrheit gelehrt
hat, welche die jungen Generationen heute wieder zu entdecken
scheinen, und so erfährt, dass Freude nicht gleich Genuss ist. Der
Genuss „füllt“, aber nährt und sättigt nicht. Er lässt den
Menschen immer hungrig und hinterlässt schließlich im Herzen des
Menschen eine schreckliche Leere, von welcher manche Menschen leider
denken, dass nur der Tod in der Lage wäre, sie zu
besänftigen. Die Wahrheit, an welche uns Christus erinnert, ist ein
Zeichen der Hoffnung für die Zukunft, ein Stern für das Morgen. Die
Freude wird nicht aus dem Genuss geboren, sie entspringt
vielmehr aus einem Leben der tief verwurzelten Kommunion und daraus,
dass man für das geliebt wird, was man ist, jenseits aller Komplexe und
Maskeraden.
Die
Freude entspringt aus der Tatsache, sich von
jemandem ohne Bedingungen geliebt zu fühlen, seine beste Seite in
Bezug auf Intelligenz, Herz und Willen in einer authentischen Beziehung
ausdrücken zu können. Die Freude ist eine Frucht der
Liebe, welche der Mensch für Gott empfindet und welche er „aus
ganzem Herzen, ganzer Kraft und ganzer Seele“ durch seine Existenz und
fleischliche Liebe zum Ausdruck bringt. Diese Freude jedoch
benötigt viel Zeit und Geduld, um ihre Vollständigkeit zu erreichen.
[1] Vgl. H. Küng/J. Hoeren, Wozu Weltethos? Religion und
Ethik in Zeiten der Globalisierung. Hans Küng im Gespräch mit Jürgen Hoeren, Herder Spektrum 5227, Freiburg/Basel/Wien 2002.
[2] Gen 1,26f; Vgl. Gen 9,6. Zum εἰκών siehe G. v. Rad, Art. εἰκών.
D. Die Gottesebenbildlichkeit im: ThWNT 2 (1935), 388, H. Wildberger, Das Abbild Gottes Gen 1, 26-30, in: ThZ 21 (1965), 245-260; Der Mensch als Bild Gottes (Hg.), L. Scheffczyk,
in: Wege der Forschung Bd. CXXIV, Darmstadt 1969.
[3] Das Alte Testament und die Menschenrechte: Jörg Baur (Hg.), Zum
Thema Menschenrechte Theologische Versuche und Entwürfe, Stuttgart 1977, 7.
[6] Hom. in
Joh 8, 1 (PG 59, 65, 33-38). Vgl. auch Max. Conf., Questionae ad Thalassium 15, PG 90, : ‘’τὸ πνεῦμα τὸ ἅγιον, οὐδενὸς ἄπεστι τῶν ὄντων· καὶ μάλιστα τοῦ λόγου καθοτιοῦν μετειληφότων’’.
[13] Vgl. De
Virginitate 9, 1: λιμήν … σωφροσύνης τοῖς βουλομένοις αὐτῷ χρῆσθαι καλῶς, οὐκ ἀφιεὶς ἀγριαίνειν τὴ φύσιν.
[16] De
Virg. 7 PG 46, 353: οὐ γὰρ ἀγνοοῦμεν ὅτι καὶ οὗτος τῆς τοῦ θεοῦ εὐλογίας οὐκ ἡλλοτρίωται. Ἀλλ’ ἐπειδὴ τούτου μὲν αὐτάρκης συνήγορος καὶ ἡ κοινὴ τῶν ἀνθρώπων φύσις ἐστὶν αὐτόματον τὴν πρὸς τὰ τοιαῦτα ροπὴν ἐντιθεῖσα πᾶσι τοῖς διὰ γάμου προϊοῦσιν εἰς γένεσιν…
[17] Greg.
Nyss., Vita Moysis PG 44, 404A. ‘’ἐν
τούτῳ ὄντος τοῦ ἀληθῶς ἰδεῖν τὸν θεόν, ἐν τῷ μὴ λῆξαι ποτε τῆς ἐπιθυμίας τὸν πρὸς αὐτὸν ἀποβλέποντα’’.